Bruttowertschöpfung und Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst die wirtschaftliche Tätigkeit eines Landes oder einer Region. Ausgangspunkt, um das BIP zu berechnen, ist die Bruttowertschöpfung (BWS). Die Bruttowertschöpfung umfasst den Produktionswert aller Wirtschaftsbereiche, d. h. die Endprodukte an Waren und Dienstleistungen abzüglich der eingegangenen Vorleistungen. Rechnet man zur Bruttowertschöpfung die Steuern hinzu und die Subventionen ab, erhält man das BIP.

Die aktuellsten Zahlen (hier 2020) sind noch nur provisorische Werte, die jeweils im darauffolgenden Jahr neu berechnet und aktualisiert werden. Sie sind daher mit Vorsicht zu betrachten, und der Kommentar bezieht sich daher vorwiegend auf die Entwicklung bis 2019.

Entwicklung der Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, in jeweiligen Preisen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (in Mio. Euro) (2004-2019/2020)

  2004 2010 2018 2019 2020 (p) Entwicklung
18-19
Land- und Forstwirtschaft 37,1 30,2 33,2 34,9 31,4 +5,1%
Steine und Erden 0,3 0,2 0,6 0,8 0,8 +33,3%
Herstellende Industrien 333,8 214,7 440,8 440,8 416,1 0,0%
Energie, Wasser, Abfallent. 9,7 26,3 33,9 35,5 36,2 +4,7%
Baugewerbe 92,3 118,5 135,5 148,9 141,6 +9,9%
Handel und KFZ 172,6 214,6 256,4 242,0 224,2 -5,6%
Verkehr und Lagerei 105,9 94,1 79,6 79,5 72,3 -0,1%
Gastgewerbe 28,4 29,3 40,4 43,2 25,2 +6,9%
Information und Kommunikation 7,9 29,1 27,9 25,9 24,7 -7,2%
Finanzen und Versicherungen 28,1 38,4 43,1 44 40,2 +2,1%
Immobiliensektor 118,1 152,4 187,4 193,3 199,7 +3,1%
Freiberufl.u. technische Dienstl. 86,6 105,1 114,3 107,1 99,8 -6,3%
Sonstige wirtschaftl. Dienstleist. 21,9 29,7 46,7 49,3 45,5 +5,6%
Öffentliche Verwaltung 117,1 142,3 158,7 163,7 168,8 +3,2%
Erziehung und Unterricht 91,1 112,8 149,7 157,3 162 +5,1%
Gesundheits- und Sozialwesen 67,8 103,7 137,5 147,4 134,2 +7,2%
Kunst, Unterhaltung u. Erholung 4,8 7 18 21,9 17,9 +21,7%
Sonst. Dienstleist., Privathaush. 22,8 30,1 34,3 33,3 27,3 -2,9%
Total 1.346,3 1.578,5 1.938,0 1.968,8 1.867,9 +1,6%

Quelle: Institut des Comptes Nationaux, Comptes régionaux

Mit einer Bruttowertschöpfung von rund 441 Mio. Euro im Jahr 2019 kommt der herstellenden Industrie in der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine bedeutende Rolle zu. Innerhalb der herstellenden Industrien liefern insbesondere die Herstellung von Elektromaterial (21 %), die Kunststoffherstellung (19 %), die Metallverarbeitung (16 %) sowie die Nahrungsmittelindustrie (14 %) den größten Beitrag zur Wertschöpfung. Damit hat die herstellende Industrie in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein deutlich höheres Gewicht (rund 22 % der gesamten Wertschöpfung) als in den anderen Regionen Belgiens (Wallonie und Flandern 16 %).

An zweiter und dritter Stelle in der Deutschsprachigen Gemeinschaft stehen Handel und KFZ (242 Mio. Euro) sowie das Immobiliengewerbe (193 Mio. Euro).

Im längerfristigen Vergleich seit 2004 ist eine insgesamt positive Entwicklung der Wertschöpfung zu beobachten, die nur im Jahr 2009 durch die Wirtschaftskrise einen deutlichen Einbruch (insbesondere in der herstellenden Industrie) erlebt hat. Auch für 2020 zeichnet sich aufgrund der Coronakrise wieder ein starker Rückgang ab, der zumindest für die Deutschsprachige Gemeinschaft in der gleichen Größenordnung wie 2009 liegt (-5 %), wobei es sich wie gesagt noch nur um provisorische Daten handelt.

Die kumulierte prozentuale Entwicklung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft seit 2004 (+46 %) liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt von +61 %. Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings um die nominale Wertschöpfung, also nicht um inflationsbereinigte Zahlen.

Das inflationsbereinigte Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 beträgt -0,5 % in der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Vergleich zum Vorjahr, gegenüber +2,6 % in der Wallonie und +1,9 % in Flandern, bzw. +2,2 % auf Landesebene. Schon vor der Coronakrise lag also in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein leichter Rückgang der Wirtschaftsaktivität vor. Für 2020 zeichnet sich – gemäß den provisorischen Zahlen - in allen Regionen ein deutlicher Rückgang um –5,3 % im Durchschnitt ab. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft fällt der Rückgang wiederum etwas stärker aus als in den anderen Regionen (-6,7 %), was aber auch daran liegt, dass bei den kleinen absoluten Werten jede Veränderung prozentual stärker ins Gewicht fällt.

Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung (2019)

Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung (2019)
Quelle: Institut des Comptes Nationaux, Comptes régionaux

Der Anteil der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung gibt Aufschluss über die Wirtschaftsstruktur einer Region. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft fällt die relativ hohe Bedeutung des Sekundärsektors auf. Der Sekundärsektor, der die herstellenden Industrien, den Bereich Elektrizität-Gas-Wasser und das Baugewerbe umfasst, erwirtschaftet mit 31,8 % der Bruttowertschöpfung einen um rund 8 Prozentpunkte höheren Anteil als in der Wallonie und knapp 7 Prozentpunkte mehr als in Flandern. Dies liegt daran, dass vor allem im Kanton Eupen die herstellenden Industrien mit Schwerpunkten in der Herstellung von Elektromaterial, der Kunststoff- und Nahrungsmittelherstellung sowie der Metallverarbeitung einen besonderen Stellenwert innehaben. Ein anderer Wirtschaftsschwerpunkt der Region ist zudem das Baugewerbe, das mit einem Wertschöpfungsanteil von 7,6 % in 2019 zwar noch über den wallonischen und flämischen Werten (jeweils rund 5,3 bzw. 6,2 %) liegt, dessen Gewicht aber seit einigen Jahren leicht sinkt.

Dadurch weist auf der anderen Seite der Tertiärsektor ein vergleichsweise geringeres Gewicht in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf: Im Jahr 2019 liegt er um rund 9 Prozentpunkte hinter dem wallonischen und 8 Prozentpunkte hinter dem flämischen Wert zurück.

Im Vergleich zum Jahr 2004 hat die Wirtschaftsleistung des Tertiärsektors allerdings um 50 % zugelegt (in laufenden Preisen), während der Sekundärsektor nur 43 % hinzugewonnen hat. Während die Entwicklung im Bausektor mit +61 % deutlich über diesem Durchschnitt lag, hat die herstellende Industrie mit +32 % vergleichsweise weniger an Wirtschaftsleistung zugelegt. Innerhalb des Tertiärsektors sind (in absoluten Zahlen) insbesondere der Immobiliensektor, der Handel und die öffentliche Verwaltung stark angewachsen, während auf der anderen Seite der Transportsektor als einziger deutlich abgebaut hat.

Auf Landesebene war die Entwicklung im Sekundärsektor mit +35 % deutlich schwächer als in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Der Dienstleistungssektor hingegen hat in diesem Zeitraum rund 71 % zugelegt, deutlich mehr als in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, und damit zu einem insgesamt stärkeren Wachstume auf Landesebene geführt.

Trotz eines leichten Rückgangs in absoluten Zahlen erwirtschaftet der Primärsektor im ländlichen Raum Ostbelgiens immer noch knapp 2 % der Bruttowertschöpfung des Jahres 2019, d. h. doppelt so viel wie im übrigen Land.

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

Vergleicht man die Wirtschaftskraft verschiedener Gebiete, wird als Maßeinheit oft das BIP pro Einwohner verwendet. In Regionen mit hohem Pendleranteil gibt dieser Indikator allerdings ein verfälschtes Bild wieder, da das in der Region erwirtschaftete BIP nur durch die Einwohnerzahl geteilt wird (obwohl auch die Einpendler es mit erwirtschaftet haben) und andererseits die durch die Auspendler erwirtschaftete Wertschöpfung im Ausland angerechnet wird. Im Fall der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist das BIP pro Einwohner vergleichsweise niedrig, da die Deutschsprachige Gemeinschaft einen hohen Auspendleranteil aufweist.

Ein reelleres Bild der Wertschöpfung in einem Gebiet entsteht daher, wenn man das BIP durch die Anzahl der Beschäftigten vor Ort (ob Einwohner oder Einpendler) teilt. Nach diesem Konzept betrachtet, erzielt die Deutschsprachigen Gemeinschaft 2019 ein Ergebnis von 77.683 Euro pro Beschäftigtem (wobei hier allerdings nicht der Teilzeitbeschäftigung Rechnung getragen wird, deren Anteil in der Deutschsprachigen Gemeinschaft höher liegt als im Rest des Landes). Das liegt immer noch deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 97.679 Euro und ist in den letzten Jahren auch weniger gewachsen als in den anderen Landesteilen. Auch hier liegt für 2020 ein Rückgang vor, der in allen Regionen ähnlich hoch ist (-4,4 % im Landesdurchschnitt gemäß der provisorischen Zahlen).

BIP pro Beschäftigtem

 

2004

2010

2018

2019

2020(p)

Entw.
2018-2019

Wallonie

61.537

70.883

83.036

85.757

82.040

+3,3%

Flandern

69.814

79.953

95.148

96.841

92.337

+1,8%

Brüssel

88.228

101.857

119.436

122.737

118.011

+2,8%

Belgien

70.456

80.824

96.478

97.679

93.350

+2,3%

Deutschsprachige
Gemeinschaft*

56.728

64.512

75.791

77.683

74.134

+2,5%

*Bem.: Es handelt sich hier um eine eigene Schätzung des PIB der Deutschsprachigen Gemeinschaft anhand der aus den anderen Regionen abgeleiteten Ratio VAB/PIB.