Bruttowertschöpfung und Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst die wirtschaftliche Tätigkeit eines Landes oder einer Region. Ausgangspunkt zur Berechnung des BIP ist die Bruttowertschöpfung (BWS). Die Bruttowertschöpfung umfasst den Produktionswert aller Wirtschaftsbereiche, d.h. die Endprodukte an Waren und Dienstleistungen abzüglich der eingegangenen Vorleistungen. Rechnet man zur Bruttowertschöpfung die Steuern hinzu und zieht die Subventionen ab, erhält man das BIP.

Die aktuellen Zahlen (hier 2022) sind noch nur provisorische Werte, die jeweils im darauffolgenden Jahr neu berechnet und aktualisiert werden. Sie sind daher mit Vorsicht zu betrachten und der Kommentar bezieht sich daher vorwiegend auf die Entwicklung bis 2021.

Entwicklung der Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, in jeweiligen Preisen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (in Mio. Euro) (2005-2021/2022)

  2005 2010 2020 2021 2022 (p) Entwicklung
20-21
Land- und Forstwirtschaft 38 30 36 38 43 +5,5%
Steine und Erden 0 0 1 1 1 -14,3%
Herstellende Industrien 327 315 427 472 480 +10,6%
Energie, Wasser, Abfallent. 16 26 41 45 50 +9,9%
Baugewerbe 93 119 152 162 184 +6,3%
Handel und KFZ 178 215 234 273 283 +16,4%
Verkehr und Lagerei 100 94 81 86 94 +6,6%
Gastgewerbe 29 29 30 37 46 +23,1%
Information und Kommunikation 8 29 24 25 25 +2,9%
Finanzen und Versicherungen 32 38 39 43 45 +8,7%
Immobiliensektor 127 152 198 210 227 +6,0%
Freiberufl.u. technische Dienstl. 93 105 120 125 131 +4,4%
Sonstige wirtschaftl. Dienstleist. 24 30 44 56 58 +27,4%
Öffentliche Verwaltung 120 142 164 174 191 +6,4%
Erziehung und Unterricht 95 113 173 182 204 +4,9%
Gesundheits- und Sozialwesen 72 104 131 151 162 +15,0%
Kunst, Unterhaltung u. Erholung 5 7 16 22 27 +32,9%
Sonst. Dienstleist., Privathaush. 24 30 30 34 38 +13,2%
Total 1.381 1.579 1.943 2.136 2.289 +9,9%

Quelle: Institut des Comptes Nationaux, Comptes régionaux

2021 wurde in der Deutschsprachigen Gemeinschaft insgesamt eine Bruttowertschöpfung von rund 2,13 Milliarden Euro erzielt. Mit rund 472 Millionen Euro kommt der herstellenden Industrie dabei eine bedeutende Rolle zu. Innerhalb derselben liefern insbesondere die Kunststoffherstellung (18%), die Herstellung von Elektromaterial (17,8%), die Metallverarbeitung (16%) sowie die Nahrungsmittelindustrie (13%) den größten Beitrag zur Wertschöpfung.  Damit hat die herstellende Industrie in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein deutlich höheres Gewicht (rund 22% der gesamten Wertschöpfung) als in den anderen Regionen Belgiens (Wallonie 14% und Flandern 17%). 

An zweiter und dritter Stelle in der Deutschsprachigen Gemeinschaft stehen Handel und KFZ (273 Millionen Euro) sowie das Immobiliengewerbe (210 Millionen Euro).

Im längerfristigen Vergleich seit 2005, ist eine insgesamt positive Entwicklung der Wertschöpfung zu beobachten, die nur im Jahr 2009 durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, und 2020 durch die Coronakrise, jeweils einen deutlichen Einbruch erlebt hat. 2009 war insbesondere die herstellende Industrie vom Einbruch betroffen, während 2020 der Rückgang vor allem gleichermaßen die herstellenden Industrien, das Gastgewerbe und den Gesundheitssektor betroffen hat. Insgesamt aber war der Rückgang in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 2009 mit -4 Prozent doppelt so hoch wie in der Corona-Krise 2020 (-2%).

Im Jahr 2021 ist die Wirtschaftsleistung dann mit +9,9 Prozent wieder stark gestiegen (Landesdurchschnitt +9,5%).

Die kumulierte prozentuale Entwicklung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft seit 2005 (+55%) liegt allerdings deutlich unter dem Landesdurchschnitt von +64 Prozent. Bei diesen Zahlen handelt es sich um die nominale Wertschöpfung, also nicht um inflationsbereinigte Zahlen.

Das inflationsbereinigte Wirtschaftswachstum im Jahr 2021 beträgt +5,7 Prozent in der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Vergleich zum Vorjahr, gegenüber +4,4 Prozent in der Wallonie und +7,9 Prozent in Flandern, bzw. +6,5 Prozent auf Landesebene.

Im Coronajahr 2020 lag der Rückgang belgienweit bei -4,8 Prozent und in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei -3,7 Prozent.

Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung (2021)

Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung (2019)
Quelle: Institut des Comptes Nationaux, Comptes régionaux

Der Anteil der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung gibt Aufschluss über die Wirtschaftsstruktur einer Region. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft fällt die relativ hohe Bedeutung des Sekundärsektors auf. Der Sekundärsektor, der die herstellenden Industrien, den Bereich Elektrizität-Gas-Wasser und das Baugewerbe umfasst, erwirtschaftet mit 31,8 Prozent der Bruttowertschöpfung einen um rund 9 Prozentpunkte höheren Anteil als in der Wallonie und knapp 7 Prozentpunkte mehr als in Flandern. Dies liegt daran, dass vor allem im Kanton Eupen die herstellenden Industrien mit Schwerpunkten in der Herstellung von Kunststoffen, Elektromaterial und Nahrungsmitteln, sowie der Metallverarbeitung einen besonderen Stellenwert innehaben. Ein anderer Wirtschaftsschwerpunkt der Region ist zudem das Baugewerbe, das mit einem Wertschöpfungsanteil von 7,6 Prozent auch 2021 über den wallonischen und flämischen Werten (jeweils rund 5,6 bzw. 6,2%) liegt.

Dadurch weist auf der anderen Seite der Tertiärsektor ein vergleichsweise geringeres Gewicht in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf: Im Jahr 2021 liegt er um rund 10 Prozentpunkte hinter dem wallonischen und 7 Prozentpunkte hinter dem flämischen Wert zurück. 

Im Vergleich zum Jahr 2005 hat die Wirtschaftsleistung sowohl des Tertiärsektors als auch des Sekundärsektors um +56 Prozent zugenommen. Während die Entwicklung im Bausektor mit +75 Prozent deutlich über diesem Durchschnitt lag, hat die herstellende Industrie mit +44 Prozent vergleichsweise weniger an Wirtschaftsleistung zugelegt. Innerhalb des Tertiärsektors sind (in absoluten Zahlen) insbesondere der Handel, der Immobiliensektor und das Unterrichtswesen stark angewachsen, während auf der anderen Seite der Transportsektor als einziger deutlich abgebaut hat.

Auf Landesebene war die Entwicklung im Sekundärsektor mit +41 Prozent deutlich schwächer als in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Der Dienstleistungssektor hingegen hat in diesem Zeitraum rund +72 Prozent zugelegt, deutlich mehr als in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, und damit zu einem insgesamt stärkeren Wachstum auf Landesebene geführt.

Mit einem leichten Zuwachs in absoluten Zahlen erwirtschaftet der Primärsektor im ländlichen Raum Ostbelgiens immer noch knapp 2 Prozent der Bruttowertschöpfung des Jahres 2021, d.h. mehr als doppelt so viel wie im übrigen Land.

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

Vergleicht man die Wirtschaftskraft verschiedener Gebiete, wird als Maßeinheit oft das BIP pro Einwohner verwendet. In Regionen mit hohem Pendleranteil gibt dieser Indikator allerdings ein verfälschtes Bild wieder, da das in der Region erwirtschaftete BIP nur durch die Einwohnerzahl geteilt wird (obwohl auch die Einpendler es mit erwirtschaftet haben) und andererseits die durch die Auspendler erwirtschaftete Wertschöpfung im Ausland angerechnet wird. Im Fall der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist das BIP pro Einwohner vergleichsweise niedrig, da die Deutschsprachige Gemeinschaft einen hohen Auspendleranteil aufweist.

Ein reelleres Bild der Wertschöpfung in einem Gebiet entsteht daher, wenn man das BIP durch die Anzahl der Beschäftigten vor Ort (ob Einwohner oder Einpendler) teilt. Nach diesem Konzept betrachtet, erzielt die Deutschsprachige Gemeinschaft 2021 ein Ergebnis von 82.825 Euro pro Beschäftigten(wobei hier allerdings nicht der Teilzeitbeschäftigung Rechnung getragen wird, deren Anteil in der Deutschsprachigen Gemeinschaft höher liegt als im Rest des Landes). Das liegt immer noch deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 101.741 Euro und ist in den letzten Jahren auch zumeist weniger gewachsen als in den anderen Landesteilen. 2021, im Jahr nach der Coronakrise, liegt hingegen ein ähnlich hohes Wachstum wie im Landesdurchschnitt vor.

BIP pro Beschäftigtem

 

2005

2010

2020

2021

2022(p)

Entw.
2018-2019

Wallonie

63.385

70.882

82.313

86.873

93.704

+5,5%

Flandern

72.092

79.949

93.523

102.659

109.711

+9,8%

Brüssel

90.216

101.877

117.645

125.438

132.270

+6,6%

Belgien

72.553

80.824

94.060

101.741

108.720

+8,2%

Deutschsprachige
Gemeinschaft*

58.093

64.476

76.509

82.825

86.845

+8,3%

*Bem.: Es handelt sich hier um eine eigene Schätzung des PIB der Deutschsprachigen Gemeinschaft anhand der aus den anderen Regionen abgeleiteten Ratio BWS/PIB.